Michael Kühntopf
Autor, Publizist, Journalist
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Ausgewählte Interviews

Interview 1

(in Anlehnung an das Radio-Interview "Treffpunkt" am 13. September 2006 beim Schweizer Radio DRS1, Redaktion und Moderation: Thomy Scherrer;  - Nur ein kleiner Auszug)

Sie sind wegen der Liebe in die Schweiz gekommen wie übrigens derzeit viele Deutsche in die Schweiz kommen. Die Deutschen sind die grösste Einwanderergruppe. Man kann hier Geld verdienen, die kulturellen Unterschiede sind nicht riesig, die Sprachunterschiede auch nicht so gross - meint man. Tatsächlich mussten Sie feststellen, dass Sie Ihre Frau nicht einmal dann verstanden haben, wenn sie Hochdeutsch mit Ihnen gesprochen hat.

Ja, das ist so. Ich musste lernen, dass es nicht nur ein Hochdeutsch gibt, sondern mehrere. In diese Situation kommt man als Deutscher, der sich in Deutschland und sogar im Ausland - ausser in der Schweiz - aufhält, normalerweise nicht. Und ausser von einem "Ritt über den Bodensee", d. h. ein Schiffsausflug nach Romanshorn mit anschliessendem Kurzbesuch von Sankt Gallen, kannte ich die Schweiz nicht aus eigener Erfahrung, vielleicht noch abgesehen vom Genfer Automobilsalon, den ich als Werbeberater für die Automobil-Industrie besucht habe ...

Sie sind ein "Düsseldorfer Jong", den es in die Schweiz verschlagen hat. Ist damit noch etwas anderes gemeint als nur ein "Mann aus Düsseldorf"?

Die Düsseldorfer Jonges sind ein Heimatverein zur Pflege der Geschichte, Tradition und Mundart ihrer "weltoffenen Vaterstadt Düsseldorf". Der Verein, der sich übrigens selbst als "grösster Heimatverein Europas" bezeichnet und dem nur Männer angehören können, hat ein bedeutendes lokalpolitisches Gewicht. Mitglied wird man auf Einladung und Empfehlung, wobei nach Aussage des Vereins Beruf, Vermögen oder Herkunft keine Rolle spielen. Tatsächlich ist im Verein aber viel Prominenz und sind viele Honoratioren vertreten, worauf auch Gewicht gelegt wird. Diesem Verein habe ich viele Jahre angehört. Man traf sich regelmässig Dienstag abends zum "shoulder rubbing" und hat in der Regel äusserst interessante Vorträge interessanter und wichtiger Leute zu den verschiedensten Themen gehört. Die Vortragenden blieben dann auch nach dem Ende des offiziellen Teils der Veranstaltung ggf. zu Gesprächen auf ein Glas Bier - in Düsseldorf trinkt man übrigens Altbier - so konnte man ziemlich unkompliziert z. B. mit dem Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und späteren Bundespräsidenten zusammentreffen, um nur mal ein "Schwergewicht" zu nennen. Durch die bunte Auswahl an Themen konnte man regelmässig ausserhalb des eigenen beruflichen Umfelds über den Tellerrand schauen, wozu sich sonst nicht so häufig Gelegenheit bietet, schon gar nicht im Zusammentreffen mit so hochkarätigen Leuten. Ich rede übrigens die ganze Zeit in der Vergangenheitsform - zu Unrecht. Die Düsseldorfer Jonges bestehen nämlich erfolgreich weiter, auch ohne mich (lacht).

Spricht Ihre Frau mit Ihnen Mundart oder Schriftdeutsch?

Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass "Schriftdeutsch" einer der vielen Helvetismen ist, die in Deutschland keiner kennt. Von Anfang an hatte es sich so eingebürgert, dass sie mit mir Hochdeutsch sprach und spricht. Das war ja ein weiteres Indiz dafür, dass es sich doch um "unterschiedliche Sprachen" handelt, ja, handeln muss, weil auch so noch genügend Missverständnisse mühsam erforscht, geklärt und beseitigt werden mussten. Ein weites Feld. Und das beschränkt sich nicht einmal auf unbekannte Wörter oder Redewendungen, sondern umfasst auch Homonymien, d. h. identische Wörter haben unterschiedliche Bedeutung je nach Sprecher. Z. B. bestimmte Schimpfworte, mit denen ich spasshaft belegt wurde, die in der Schweiz total harmlos sind, für ein deutsches Ohr aber einen ordentlichen Insult darstellen. Wenn wir auch miteinander Hochdeutsch sprechen, schaltet meine Frau sofort um, sobald ein Dritter hinzustösst. Wir leben ja nicht isoliert, sondern haben im Gegenteil oft Besuch von Freunden und Verwandten und haben überhaupt viel "Publikumsverkehr" im Haus, denn meine Frau ist katholische Pfarreileiterin, und in einem Pfarrhaus ist immer etwas los. Da "geht" immer irgend etwas.

Selbst das vornehme Hochdeutsch der Neuen Zürcher Zeitung, der angesehenen NZZ, unterscheidet sich total vom vornehmen "deutschen Hochdeutsch"? Ist das wirklich so?

Sagen wir es so, es gibt grosse Unterschiede, die man nicht wegdiskutieren kann - bei überwiegenden Gemeinsamkeiten. Aber man weiss nie: Wann stimmt es überein, wann nicht? Es gibt Wörter und Redewendungen, die deutsch klingen, die aber kein Deutscher versteht, der noch keine sprachlichen Kontakte zum Schweizer Hochdeutsch hatte. Genau für den Fall habe ich ja mein "Schweizer Wörterbuch für Deutsche" geschrieben, dass diese Deutschen nicht wie ich "unten durch" und die "harte Tour" gehen müssen, sondern komfortabel nachschlagen können. Eine Art 80%-first-level-support ohne Mühe.

Und "Züridütsch" verstehen Sie mittlerweile?

Meine Frau spricht ihr schönes Freiämter Deutsch, das für mich sozusagen "meine erste (sprachliche) Liebe" war. Wie gesagt kommen wir mit vielen Menschen zusammen aus allen Regionen der Schweiz, und ich lerne schnell. Wenn ich noch an eine Veranstaltung mit Vorträgen und Aufführungen denke, die meine Frau und ich im Kanton Luzern einige km hinter Hochdorf besucht haben, wenige Tage nachdem ich in der Eidgenossenschaft angekommen war - einfach nur grauenhaft. Ich verstand kein einziges Wort. Hätten sie doch Englisch oder Französisch oder meinetwegen Hebräisch gesprochen. Ich hätte mehr verstanden. Mittlerweile liegt diese traumatische Erfahrung einige Zeit zurück, und ich verstehe die Luzerner Mundart beinahe ebenso gut wie die hiesige, das heisst das Freiämter Deutsch, auch das Züridütsch bereitet mir kaum noch Schwierigkeiten. Vollkommen unerwartet empfinde ich von den deutschschweizerischen Mundarten hingegen das Solothurnerische noch als recht schwierig. Schweigen wir höflich über das Walliser oder Bündner "Deutsch". Und auch am Bernischen kann man sich die Zähne ausbeissen. Aber keine Sorge, ich lebe mit Selbstachtung weiter, habe ich mir doch zu meiner Beruhigung sagen lassen, dass selbst Schweizer ihre gepflegten Schwierigkeiten mit den anderen Idiomen haben. - Triumph!!

Interview 2

(Brennpunkt: "Ein Deutscher erzürnt die Schweizer", Aargauer Zeitung, 2. Dezember 2010, Seite 27; 29, Auszüge)

Er sorgt für rote Köpfe, der Ratgeber für Neuankömmlinge, "Alltag in der Schweiz". Auf 315 Seiten beschreibt der deutsche Autor Michael Kühntopf nicht nur die Schweizer Lebensart oder das politische System, sondern auch über seiner Ansicht nach undurchschaubare schweizerische Mentalität. Medien kritisierten seine "Tipps für ein harmonisch-kollisionsfreies Überleben in der Schweiz": Denn Kühntopf schreibt, dass Schweizer keine Ironie verstünden und deutlich weniger Humor hätten als Deutsche und Österreicher. Warum sagt er das? Auf nach Widen, wo der gebürtige Düsseldorfer seit fünf Jahren lebt. Ein schmaler Mann öffnet die Tür - er ist charmant, höflich und redet wie ein Wasserfall.

Soll ich bei Ihnen meine Schuhe ausziehen?

Michael Kühntopf: Wenn Sie mögen.

Laut Ihrem Ratgeber ist das "Schuhabziehen" typisch schweizerisch. In Berlin habe ich andere Erfahrungen gemacht.

Natürlich kann man nicht verallgemeinern. Allerdings muss man in der Deutschschweiz die Schuhe häufiger ausziehen als in Deutschland. Und das bei jedem Wetter. So etwas habe ich in Deutschland noch nie gesehen. Es ist schon ein merkwürdiges Bild, wenn man in vertrauter Runde sitzt und auf einen Haufen unbeschuhter Füsse blickt. Daran werde ich mich nie gewöhnen.

Sie schreiben auch, dass Schweizer deutlich weniger Humor hätten als Östereicher und Deutsche. Ist es so schlimm?

Überhaupt nicht. Ich wollte nur die Unterschiede aufzeigen, da muss man etwas zuspitzen. Mir ist klar, dass es "den Schweizer" nicht gibt. Man kann aber sagen, dass der Deutschschweizer in der Regel etwas reservierter ist und länger braucht, um mit jemandem warm zu werden und auf eine humorvolle Basis zu kommen. Hinzu kommen Sprachprobleme.

Verstehen wir deshalb auch keine Ironie?

Ein Deutschschweizer beherrscht die deutsche Sprache nicht so gut wie ein Deutscher. Vor allem, wenn der Deutsche so schnell spricht wie ein Maschinengewehr. Für ihn ist Hochdeutsch eine Fremdsprache, und es fällt ihm schwer, ironische Sprachspiele oder eine gehobene Konversation auf Anhieb zu begreifen. Deshalb ist der Deutsche oder Österreicher auf der sicheren Seite, wenn er auf Ironie verzichtet und meine Ratschläge befolgt. Das ist auch das Ziel meines Buches.

Wie meinen Sie das?

Es ging mir nicht darum, die Schweizer zu beschreiben. Vielmehr wollte ich den Neuankömmlingen weitergeben, wie die Schweizer funktionieren und was gut ankommt und was nicht. Ich habe ein sachliches Buch geschrieben, das die Schweiz in allen Aspekten beschreibt. Es gibt alles wieder, von der Einreise über die Arbeitswelt bis zur schweizerischen Mentalität. Die Medien haben aber nur einzelne Sätze meines Buches thematisiert. Sie haben aus mir den Ugly German gemacht.

Trotzdem: Ihre Aussagen zum Schweizer Humor- und Ironie-Verständnis provozieren. Auf Ihrer Homepage hagelt es jedenfalls böse Kommentare.

Ein bisschen provozieren darf man doch als Schriftsteller. Mir war zwar bewusst, dass ich mit dem Feuer gespielt habe, aber mit solchen Schlägen habe ich nicht gerechnet. Vielleicht hätte ich dann etwas softer formuliert. Dieser Aufschrei der Empörung zeigt doch, dass die Unterschiede tatsächlich existieren. In Deutschland jedenfalls wäre das nicht so passiert. Die Reaktionen der Schweizer beweisen mir, dass viele tatsächlich unter dem von mir beschriebenen Minderwertigkeitskomplex leiden.

Minderwertigkeitskomplex?

Ein Deutscher beherrscht aus Schweizer Sicht die Sprache grandios. Zudem ist in Deutschland alles eine Spur grösser. Hinzu kommt hier die geschichtlich bedingte Furcht, vom Nachbarn überrannt zu werden. Man muss sich also nicht wundern, dass die Schweizer die Deutschen nicht besonders mögen. Vor allem, wenn sie forsch und arrogant auftreten. Die Freundlichkeit in der Schweiz ist ein grosser Pluspunkt.

Geht es denn in Deutschland so ruppig zu und her?

Gerade im Berufsleben gibt es in Deutschland eine extrem brutale Kultur. In Meetings hat man einen grossen  Spass daran, den anderen blosszustellen. In der Schweiz hingegen äussert man Kritik höchstens unter vier Augen. Das Ellbögeln ist zwar genau so hart, aber die Art und Weise ist in der Schweiz viel humaner und freundlicher. Diese Freundlichkeit hat aber auch den Nachteil, dass man sich unangenehme Wahrheiten nicht sagt. Lieber lässt man eine Bekanntschaft begründungslos auslaufen.

Warum sind Sie vor fünf Jahren in die Schweiz gekommen?

Ich habe meine jetzige Frau - eine Schweizerin - hier kennen gelernt. Heute bin ich bestens integriert und verstehe mich gut mit den Schweizern. Es gefällt mir hier.

Keine negativen Punkte?

Die gibt es in jedem Land. Wie ich bereits gesagt habe, brauchen die Schweizer etwas lange, bis sie sich öffnen. Sie dürften da ruhig etwas lockerer sein.

In den Medien war davon die Rede, dass Sie hier erstmals einen Kulturschock erlitten haben?

Das ist Quatsch. Vielmehr war es ein Lernen. Wenn der Deutsche in die Schweiz kommt, denkt er immer, dass alles so ist wie zu Hause. Ihm ist nicht bewusst, dass Schweizer eine eigene Identität haben und sich von den Deutschen nicht vereinnahmen lassen wollen. Diese Erkenntnisse wollte ich in meinem Buch weitergeben.

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